...ein vollkommen unrepräsentativer Test
Vodafone bietet im Moment (April 2006) die Möglichkeit UMTS für ein paar Wochen auszuprobieren bevor man sich endgültig für einen Vertrag entscheidet. Da die Preise langsam in vernünftige Regionen kommen konnte ich nicht widerstehen und habe ein Wochenende lang UMTS ausprobiert. Der "Home"-Tarif (nur günstig an der Basisstation in der Nähe der eigenen Wohnung) kostet laut Auskunft im Moment 29EUR, der Deutschland-weite Tarif 49EUR, in beiden sind knapp 5GB freier Traffic enthalten, danach wird es verdammt teuer (über 1 EUR pro Megabyte!).
Dies ist der Bericht dieses Wochenendes, der Artikel sollte nicht als gut recherchiert oder gar als Empfehlung der einen oder anderen Handlungsweise misverstanden werden...
Ziel war es meine beiden Linux-Laptops soweit zu bekommen, dass ich damit überall surfen und e-Mails abrufen kann. Offiziell wird Linux von keinem mir bekannten UMTS-Anbieter unterstützt - die Ausrede lautet der Markt für Linux wäre zu klein (was bei genausoviel Linux, wie MacOS in größeren Statistiken verwundert).
Mit dem Vertrag kam eine PCMCIA-Karte (für 1 Euro), eine SIM-Karte, eine Treiber-CD (ohne Linux-Treiber) und viel buntes Papier.
Der eigentliche Hardwareteil ist relativ einfach zu bewältigen: man bricht die SIM-Karte vorsichtig aus dem Rest der Plastekarte heraus, dann legt man die SIM-Karte in die PCMCIA-Karte ein - ich habe nur 10 Minuten nach dem sehr dick und deutlich auf der PCMCIA-Karte aufgedruckten Hinweis gesucht, wie rum die SIM eingelegt wird - Netzwerkspezialisten sind halt betriebsblind. Und schließlich steckt man die PCMCIA-Karte in den Laptop, es piepst und irgendwas passiert...
...vorrausgesetzt die richtigen Module sind vorhanden. Also zunächst ein wenig Theorie. Am Markt sind zwei Typen von Karten verbreitet, die Karten von Option Wireless und die von Novatel Wireless. Die Karten von Option simulieren einen USB-Controller mit angestecktem serial-converter an dem ein Modem hängt. Die von Novatel ein serial-device mit Modem direkt am PCMCIA. Für erstere muss PCMCIA/Cardbus, USB und usb_serial vorhanden sein, für letztere muss PCMCIA/Cardbus und das Modul serial_cs vorhanden sein.
Ich selbst hatte von Vodafone eine Novatel Merlin U630 bekommen, die sich jeweils als erstes freies /dev/ttyS* anmeldet (die Option-Karten melden sich als /dev/ttyUSB*). Sind die Treiber einmal geladen (was bei modernen Linuxen automagisch via hotplug-daemon gehen sollte), ist der Rest mit jedem beliebigen Modem-Einwahlprogramm machbar.
Auf dem Laptop muss pppd installiert sein. Wer hart genug im Nehmen ist kommt damit bereits aus. Wer es etwas bunter und komfortabler will benutzt wvdial, kppp und Konsorten als Schnittstelle zum pppd. Als eingefleischter KDE Fan habe ich kppp benutzt.
Die UMTS-SIM-Karten haben die Eigenart, dass sie nach dem Einstecken ersteinmal per PIN freigeschaltet werden wollen - das erkennt man daran dass die LED in einem anklagenden rot blinkt statt in dem erwarteten freundlichen blau (UMTS Netz verfügbar) oder grün (GPRS Netz verfügbar). Das Problem läßt sich lösen, indem man per minicom oder kppp-Terminal auf die Karte zugreift und ihr ein simples AT-Kommando schickt: AT+CPIN="xxxx" - wobei man xxxx durch die PIN ersetzt, danach sucht die Karte nach dem Netz und läßt sich benutzen. Per Google finden sich recht schnell beliebige Scripte, die diesen Befehl automatisieren. Alternativ schaltet man die PIN-Abfrage einfach ab (AT+CLCK="SC",0,"xxxx" - xxxx ist wieder die PIN, eine 1 statt der 0 schaltet die Abfrage wieder an).
Kppp ist schnell eingerichtet: man stellt das Device ein (/dev/ttyS* oder /dev/ttyUSB*, je nach Karte), Geschwindigkeit auf 460800 (bei 230400 kann die Karte nicht volle UMTS-Geschwindigkeit erreichen); die voreingestellten Kommandos kann man lassen (Init 1=ATZ, Init 2 bleibt leer). Im Account stellt man die Telefonnummer "*99***1#" (für alle UMTS-Provider gleich) ein, pppd gibt man noch das Argument "novj" (keine Header-Kompression) mit, läßt pppd die default-Route und den default-Gateway einstellen. Mit DNS kann es Probleme geben, also stellt man die beiden Server direkt ein (139.7.30.125, 139.7.30.126).
Danach sollte eine Verbindung auf Anhieb klappen. Mir sind nur zwei mögliche Fehler untegekommen: einige pppd-Installationen kommen mit der Option "auth" voreingestellt, was die Gegenseite zur Authentifizierung zwingt - was bei einem Client aber sinnlos ist - man ersetzt diese Option in /etc/ppp/options durch "noauth". Das andere Problem ist, dass manche Laptops eine recht seltsame Vorstellung davon haben welche seriellen Ports belegt sind und man dann falsch rät, wenn man das folgende Script vor und nach dem Einstecken der Karte laufen läßt weiß man welche Schnittstelle dazugekommen ist:
for i in `seq 9` ; do stty -a -F /dev/ttyS$i ; done
(bei USB scannt man ttyUSB$i statt ttyS$i).
Ich hatte leider nicht die Möglichkeit eine der neuen schnelleren 1.8Mbit/s Karten auszuprobieren - ich kann daher nur spekulieren wie sie funktionieren (ich tippe auf mehrere serielle Devices mit Load-Balancing oder ppp-over-ethernet).
Wenn man die Verbinding aufgebaut hat erwartet einen die wunderbare Welt des schnellen drahtlosen Surfens. Und die sieht so aus:
In meinen wenigen Versuchen habe ich beim Download grosser Datenblöcke durchaus annähernd die volle Geschwindigkeit erreicht. Kaum verwunderlich, da ich in einer Gegend mit exzellenter Anbindung und sehr wenigen potentiellen Kunden wohne - noch dazu habe ich den Test bei bestem Sonnenschein gemacht, bei dem wohl nur ich drinnen hocke und Netzwerke bearbeite.
Die Probleme liegen nicht bei der Bandbreite, sondern bei der Latenz - in meinem Experiment (traceroute www.heise.de) brauchte ein Paket 250ms zur Basisstation und zurück, alles dahinter lag im einstelligen Millisekundenbereich. Beim Test auf dem Laptop einen Kollegen in Dresden Hellerau (Nähe Flughafen) waren es sogar 500ms. Normale WLANs und DSL haben Latenzen im Bereich von 20-30ms (auch wenn sie verschlüsselt senden).
Bei solchen Latenzen gerät das Warten auf eine moderne Website zum Geduldsspiel, da jedes der hundert Bildchen ein bis zwei Sekunden braucht. Das Abrufen der Mails (egal ob POP3 oder IMAP) wird zur Tortur, da diese Protokolle sehr viele kleine Befehle und Bestätigungen brauchen, bevor der erste Buchstabe auf dem Bildschirm erscheint.
UMTS ist noch nichts für den normalen Freizeitsurfer - man kann sich aussuchen, ob es einem für diesen Preis zu langsam oder für die gegebene Latenz zu teuer ist. Was den Geschäftsreisenden angeht kommt es darauf an wo er entlang reist: Städte mit mindestens 10.000 Einwohnern sollen inzwischen gut angebunden sein auf Landstraßen, auf Dörfern und in Zügen dürfte es schlecht aussehen - für den Versicherungsmakler oder Industriemaschinenverkäufer ist es sicher eine gute Option, für den Traktorenvertreter wohl eher eine Enttäuschung.
Für Leute ohne DSL aber mit guter Sichtverbindung zur UMTS-Basisstation kann das Home-Angebot schon verlockend sein - wesentlich besser als Analogmodem oder ISDN ist es allemal.
Ich habe diese Seiten benutzt, um meine Karte einzurichten, es gibt aber noch reichlich mehr...